20. Juli: Ein Zeitstück | Bernhard Schlink


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Bei der Landtagswahl holt der charismatische junge Politiker Rudolf Peters der rechtspopulistischen Partei Deutschen Aktion die Mehrheit. Am nächsten Tag, dem 20. Juli haben einige Abiturient*innen des Leistungskurs Geschichte ihren letzten Schultag. Am 20. Juli 1944 misslingt das Attentat von Graf von Stauffenberg auf Hitler. Aus Sicht der Abiturient*innen erfolgte es zu spät. Getreu dem Motto “Wehret den Anfängen” hätte das Attentat bereits 1931 begangen werden müssen, schließlich sei da schon klar gewesen, was Hitler vorhabe. Auch Peters hält mit seinen Ansichten und Vorhaben nicht zurück. Zwischen den Abiturient*innen und ihrem Lehrer entbrennt eine hitzige Diskussion. Darf – muss – sollte man Peters vorbeugend umbringen? 

“20. Juli” ist das erste Theaterstück aus der Feder Bernhard Schlinks. Ich mag seine Romane, die sich immer wieder auch mit moralischen Fragen und mit Schuld und Vergebung auseinandersetzen sehr. Auch “20. Juli” hat mich ordentlich zum nachdenken gebracht. Man wird hier beim Lesen einfach unweigerlich gezwungen, die Ausrichtung des eigenen moralischen Kompasses zu prüfen. Gedanklich habe ich beim Lesen oft mit den Abiturient*innen mitdiskutiert und hätte meine Meinung gerne mit ins Gespräch eingebracht. Auch wenn das Buch mit 96 Seiten dünn ist, ist es eine intensive Lektüre, die mich gedanklich sehr beschäftigt hat. 

Ich fand es erst ein wenig ungewohnt, ein Theaterstück zu lesen, konnte mich dann aber doch schnell in diese Erzählweise einfinden. Die Gespräche zwischen den jungen Leuten fand ich stellenweise jedoch etwas zu konstruiert und zu künstlich. Junge Menschen unserer heutigen Zeit drücken sich anders aus und wählen andere Formulierungen, als Schlink sie seinen Figuren in den Mund gelegt hat. Von daher finde ich dieses mal den Schreibstil nicht ganz so passend. Im Versuch, einen persönlichen Bezug zu den Figuren herzustellen, werden zwei Themen gestreift, die so nicht hätten sein müssen und aus meiner Sicht überflüssig waren. Das Hauptthema ist hier so raumgreifend, dass es diese kurzen thematischen Ausflüge nicht gebraucht hätte. 

Dennoch ist und bleibt Bernhard Schlink für mich ein großartiger Erzähler, dem es hier auf wenigen Seiten gelingt, zu umfangreichen Gedanken über Demokratie und Moral anzuregen. Ich mag es sehr, wenn Bücher beim Lesen etwas mit mir machen, wenn mich die Texte beschäftigen und noch lange in mir nachhallen. Und genau das ist Schlink wieder einmal gelungen.

20. Juli: Ein Zeitstück | Bernhard Schlink | 2021 | Diogenes Verlag | Hardcover | 96 Seiten | ISBN: 978-3257071603 | Preis: 16€

*kostenloses Rezensionsexemplar