Wir von der anderen Seite | Anika Decker

Rahel lag im Koma. Als sie auf der Intensivstation aufwacht, weiß sie nicht wo sie ist und was passiert ist. Nach und nach kämpft sie sich von der anderen Seite zurück ins Leben und auch ihre Erinnerungslücken schließen sich langsam. Rahel muss dabei erkennen, dass sie zu viel Zeit damit verbracht hat, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Also beschließt sie, ihr Leben endlich wieder selbst zu leben.

Anika Decker ist auch Drehbuchautorin und so wundert es mich nicht, dass der Roman sehr schnell vor meinem inneren Auge richtig lebendig wurde. Figuren und Situationen habe ich wie in einem Film vor mir gesehen. Obwohl die Geschichte sich zum größten Teil um Rahels Erkrankung dreht und sich Gedankengänge auch wiederholen, wurde es mir nicht langweilig, diese zu lesen. Die Passage, in welcher Rahel von einem Arzt nicht ernst genommen wird, hat mich zu Tränen gerührt und an eigene Erfahrungen erinnert. Im Laufe der Geschichte feuert die Autorin zahlreiche Gags ab, die mich aber nicht erreicht haben.

Insgesamt werden sehr viele Themen, die im Leben wichtig sind, angestreift. Mir ist das Buch hier zu oberflächlich geblieben und ich hätte mir mehr Tiefgang gewünscht. Das Ende war mir zu einfach, zu platt konstruiert und mir fehlte auch hier die richtige Auseinandersetzung damit, was so eine Situation mit einer Beziehung machen kann.

Nachdem mir klar wurde, dass ich von der Geschichte nicht zu viel erwarten kann, hat sie mich ganz gut unterhalten. Dennoch wollte ich das Buch 80 Seiten vor Ende wütend aus dem Fenster werfen, weil mich der Umgang mit dem Thema Übergewicht sehr geärgert hat. Personen, die als negativ dargestellt werden, sind natürlich gleich 200 Kilo Menschen. Sowas muss doch einfach nicht sein!

Durch die starken Medikamente nimmt auch Rahel in kürzester Zeit 20 Kilo zu und hat große Probleme damit. Dass sie sich mit ihren körperlichen Veränderungen auseinandersetzt, dass sie schockiert ist und dass sie nicht dick sein will, kann ich sehr gut nachvollziehen. Dennoch schwang mir auch hier etwas zu viel fatphobia mit. Ohne diesen Aspekt wäre das Buch für mich gute Unterhaltung gewesen, aber so bin ich jetzt einfach froh, dass ich das Buch beendet habe.

Wir von der anderen Seite | Anika Decker | Ullstein | 2020 | Taschenbuch | 384 Seiten | ISBN: 978-3548063386 | Preis: 11€