Palais Heiligendamm – Ein neuer Anfang | Michaela Grünig

 

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Heiligendamm, 1912: Familie Kuhlmann zieht von Berlin nach Doberan an der Ostsee um ein Hotel zu eröffnen und dem berühmten Grand Hotel Heiligendamm Konkurrenz zu machen. Paul, der Sohn der Familie, soll ins Geschäft einsteigen, interessiert sich aber mehr für Musik. Seine Schwester Elisabeth ist in ihrer Rolle als Tochter aus gutem Hause zur Langeweile verdammt, würde sich aber viel lieber um das Hotel kümmern. Als die Gäste ausbleiben, scheint der unkonventionelle Julius Falkenhayn die Rettung für das Hotel zu sein. Minna, das 2. Stubenmädchen der Familie, hat hingegen ganz eigene Sorgen und Herausforderungen zu bewältigen. Doch auch die politische Lage im Land ist angespannt, denn der 1. Weltkrieg steht kurz bevor. 

“Ein neuer Anfang” ist der Auftakt der Heiligendamm-Saga von Michaela Grünig. Das an der Ostsee gelegene Setting, welches im ersten Moment an eine Mischung aus Downton Abbey und Grand Hotel erinnert, hat mich gleich angesprochen. Zudem finde ich auch die historische Epoche einfach interessant. Im Rahmen eines virtuellen Meet & Greet durfte ich dann auch an einer Gesprächsrunde mit der Autorin teilnehmen. Michaela Grünig hat viel über die Entstehung und Hintergründe des Romans erzählt. Schon alleine dadurch wurden die Figuren für mich sehr lebendig. Ohne eine Seite gelesen zu haben, konnte ich so schon richtig in die Geschichte eintauchen. 

Die Geschichte wird abwechselnd aus den Perspektiven von Elisabeth, Paul und Minna erzählt. Diese drei Figuren finde ich sehr gut ausgewählt, denn alle drei beschäftigen Sorgen und Probleme, welche typisch für die Zeit Anfang des letzten Jahrhunderts waren. So verdeutlicht Elisabeth, wie schwierig es als (junge) Frau war, der Langeweile zu entfliehen, eigenen Interessen nachzugehen und im von Männern dominierten Geschäftsleben ernst genommen zu werden. Paul hingegen macht deutlich, dass für Schöngeister damals wenig Raum bestand. Mit seiner Figur geht die Autorin auch darauf ein, wie schwierig es damals war, Homosexuell zu sein und von welch großen Ängsten dies geprägt war, weil Homosexualität verboten und von der Gesellschaft verachtet war. Minna gehört der einfachen Bevölkerung an und zeigt, wie hart die Menschen damals arbeiten mussten, um über die Runden zu kommen.

Stellenweise waren mir die Figuren und ihre Handlungen zu stereotyp, gefühlt habe ich alles schon einmal gelesen und viele Situationen waren daher nicht wirklich überraschend. Einige Handlungsstränge fand ich auch zu bemüht konstruiert und die Missverständnisse zwischen den Figuren erschienen mir zu sehr gewollt. Hier hätte ich den Figuren ab und an gerne ein “jetzt redet doch mal miteinander” zugerufen. Trotzdem war die erzählte Geschichte nicht langweilig und ich habe sie sehr gerne gelesen, zumal ja auch kein*e Autor*in das Rad neu erfinden kann. Auch wenn ich dadurch gemerkt habe, dass ich in letzter Zeit wohl zu viele Geschichten dieser Art gelesen habe. 

Gut gefallen an Michaela Grünigs Roman hat mir die historische Genauigkeit. Man merkt sehr deutlich, dass die Autorin umfangreich recherchiert hat, da es ihr gelingt, ein sehr genaues Bild der Vergangenheit wiederzugeben. 

“Palais Heiligendamm” bietet insgesamt dann aber alles, was eine gute Familiengeschichte vor historischem Hintergrund aus meiner Sicht braucht – lebendige Figuren, ein schönes Setting, persönliche Herausforderungen und historisch genaue Einblicke in das Leben der damaligen Zeit. 

Der zweite Band der Heiligendamm-Saga “Stürmische Zeiten” erscheint am 28. Mai 2021 und ich freue mich schon darauf zu erfahren, wie es mit Elisabeth, Paul. Minna und dem Hotel weitergeht. 

Palais Heiligendamm – Ein neuer Anfang | Michaela Grünig | 2020 | Lübbe | Broschiert | 576 Seiten | ISBN: 978-3785727072 | Preis: 14,90€

* Dieses Buch habe ich kostenlos zur Rezension erhalten.