Jesolo | Tanja Raich


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Tanja Raichs Debütroman ist mir schon oft auf Instagram begegnet, aber irgendwie habe ich ihm keine weitere Bedeutung beigemessen. Erst als Fräulein Julia kürzlich ein Bild des Romans mit einem kurzen Text und dem Hinweis auf ihre Rezension postete, habe ich mich näher mit dem Titel beschäftigt. Dass ich dieses Buch unbedingt lesen muss, wusste ich da sofort, denn der Inhalt spiegelt so ziemlich meine persönliche Horrorvorstellung wieder. Wie konnte mir das nur entgehen?!

Die stakkatoartigen, kurzen Abschnitte haben mich bereits nach wenigen Seiten in ihren Bann genommen und ich konnte das Buch nicht mehr auf Seite legen. Andi und Georg, beide Mitte dreißig, verbringen ihren jährlichen Urlaub am Strand des italienischen Urlaubsortes Jesolo. Schnell wird klar, dass die beiden eigentlich ziemlich unterschiedlich sind. Wo Andi das Leben spüren, vielleicht nach Madrid, zumindest aber in die Großstadt ziehen möchte, möchte Georg die Einliegerwohnung im Haus seiner Eltern ausbauen. Wo Andi frei und wild sein möchte, möchte Georg Sicherheit, Routine und Beständigkeit. Andi möchte keine Kinder bekommen, Georg eine Familie gründen.

Als Andi nun ungewollt schwanger wird, stürzt sie das in einen Konflikt. Behalten und Mutter werden? Abtreiben? Eine Familie gründen? Oder doch lieber die eigenen Träume verwirklichen? Andi entscheidet sich für das Kind und für ein Leben mit Georg in der Einliegerwohnung im Haus seiner Eltern. Auch wenn der tiefe Konflikt, in den die Schwangerschaft Andi wirft deutlich wird, hätte ich mir doch eine tiefere, genauere Auseinandersetzung damit gewünscht. Warum genau Andi sich jetzt für das Kind entschieden hat, kam mir etwas zu kurz.

Mit der Entscheidung für das Kind geht Andi den ersten von vielen weiteren Kompromissen ein. Der Kredit für die Renovierung der Wohnung. Die Nähe zu Georgs Eltern. Das Aufgeben ihres Berufes. Andi verstrickt sich immer weiter im Netz der gesellschaftlichen Erwartungen und wird dadurch immer bewegungsunfähiger und immer passiver. Der enorme Druck, welcher auf einer Frau lastet, wird von Tanja Raich hier sehr eindrucksvoll dargestellt. Er hat mich beim Lesen wütend gemacht. Genauso hat mich aber auch Andis Passivität wütend gemacht.

Mit “Jesolo” hat Tanja Raich einen beeindruckenden Roman verfasst, der sich mit einer sehr interessanten Thematik beschäftigt. Da auch ich keine Kinder möchte, konnte ich mich teilweise gut mit Andi identifizieren, was die Geschichte für mich noch intensiver gemacht hat. So einige von Andis Gedanken werden wohl noch etwas in mir nachhallen.

Jesolo | Tanja Raich | BLESSING | 2019 | Hardcover | 224 Seiten | ISBN: 978-3896676443 | Preis: 20€

*Dieses Buch habe ich kostenlos zur Rezension erhalten.