Das schräge Haus | Susanne Bohne

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Ella verbringt die freien Tage ihrer Kindheit irgendwo im Ruhrgebiet im Schrebergarten ihrer Oma Mina. Zwischen einer Runde Mensch-ärgere-dich-nicht und dem Duft nach frischen Frikadellen kann Ella hier ganz sie selbst sein. Und das, obwohl ihr Haus ganz schief ist. Das sagt zumindest Mina, die die Seelenhäuser anderer Leute sehen kann. Doch dann verändert ein Sonntag im Juni alles.
26 Jahre später arbeitet Ella als Psychotherapeutin und ist scheinbar Erwachsen. Doch ihr Haus ist immer noch ganz schräg und hinter verschlossenen Fenstern ist immer noch etwas von der Ella, aus jenem Sommer vor 26 Jahren, zu spüren. 

Über das neue Buch von Susanne Bohne habe ich mich sehr gefreut, denn ich mag ihre Art zu schreiben sehr. Nachdem ich “Das schräge Haus” in den Händen hielt, habe ich gleich angefangen zu lesen. Das Buch beginnt an einem Sonntag im Juni 1986. Durch die Sicht der damals achtjährigen Ella lernte ich ihre Schrebergarten-Welt voller Kindheitsversprechen kennen. Ich lese Geschichten aus der Sicht von Kindern eigentlich nicht so gerne, Ella konnte mich aber gleich mit ihrem Charme bezaubern. Ich begleitete Ella durch ihren Tag bis zu dem Moment, der ihre Kindheit auf gewisse Art beendete.

Hier macht die Geschichte einen Sprung in die Gegenwart und zur heutigen Ella, die aber noch ganz viel mit der achtjährigen Ella gemeinsam hat. Ella als Figur spricht ganz verschiedene Themen an. Da geht es ein bisschen um die Frage, wie das mit dem Erwachsen-werden eigentlich funktioniert. Da geht es aber auch ums Loslassen – von Angst und von Schuldgefühlen. Und es geht darum, sich selbst Dinge zuzutrauen, im Leben mutig zu sein und endlich auszuatmen. Oberflächlich betrachtet geschieht in “Das schräge Haus” gar nicht so viel. Unter der Oberfläche passiert jedoch sehr viel, denn das Buch ist voll mit Gefühlen, mit Herz-puckern, mit kleinen Händen die in Große passen und mit der Freude darüber, etwas verloren geglaubtes wiedergefunden zu haben. Ella durchläuft eine ganz schöne Entwicklung, ist am Ende des Romans ein anderer Mensch und trotzdem sie selbst geblieben. 

Neben Ella gibt es noch weitere, liebenswerte und verschrobene Figuren. Da ist natürlich Mina mit den Schäfchenlocken, die die Seelenhäuser anderer Menschen sehen kann und Ellas Fels in der Brandung ist. Die liebevolle Verbundenheit zwischen Ella und Mina hat mich sehr an meine eigene Oma erinnert, die leider schon verstorben ist und die ich sehr vermisse. Auch Ellas beste Freundin Yvonne hat mir gut gefallen, weil sie Ella so akzeptiert, wie sie ist und ihr doch immer Mut zuspricht. Und dann sind da noch Ellas Patienten, wie Herrn Oebing mit seiner Frau Traurigkeit oder Frau Papillon, die sich in Russland zur Schamanin ausbilden lässt. Auch der fürs Ruhrgebiet typische Bergmann fehlt nicht. Und hömma, auch der Ruhrpott mit seinen Eigenarten tut nicht zu kurz kommen tun.

Das Gleichnis von der Seele und dem Wesen eines Menschen als Haus hat mir sehr gut gefallen. Vor meinem inneren Auge sah ich gleich mein eigenes Haus und auch die Häuser einiger mir nahestehender Menschen. Ich fand es schön, über diese Häuser nachzudenken, und werde diese Gedanken sicher noch eine ganze Weile mit mir herum tragen. 

All dies hat Susanne Bohne in wundervolle Wörter und Sätze verpackt, so dass sich das Buch wie ein Schatzkästchen voller schöner Sätze anfühlt. “Das schräge Haus” ist eine ganz besondere Geschichte, die mich tief berührt hat und schon jetzt zu meinen Highlights dieses Lesejahres gehört. 

Das schräge Haus | Susanne Bohne | Rowohlt Verlag | 2019 | Taschenbuch | 352 Seiten | ISBN: 978-3499000515 | Preis: 15€ 

* Dieses Buch habe ich kostenlos zur Rezension erhalten