Olga | Bernhard Schlink


Nach dem Tod ihrer Mutter wächst Olga bei ihrer Großmutter im ländlichen Pommern auf. Dort lernt sie auch Herbert, Sohn der Gutsherren, kennen. Obwohl die beiden nicht nur völlig unterschiedliche Lebensumstände haben, sondern auch vom Wesen her sehr unterschiedlich sind, entsteht eine enge Freundschaft zwischen Olga und Herbert. Im Laufe der Zeit wird aus der Freundschaft eine tiefe Liebe, welche sie fast ein ganzes Jahrhundert miteinander verbindet. Doch während Olga bodeständig ist und hart dafür arbeitet Lehrerin zu werden, zieht es Herbert raus in die Welt, erst nach Afrika, dann in die Arktis, immer getrieben von dem Drängen danach Großes zu leisten. Von seiner letzten Expedition wird Herbert nicht zurück kommen...

Mit "Olga" beweist Bernhard Schlink einmal mehr, was für ein großartiger Erzähler er ist. Der Roman ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird die Geschichte von Olga und Herbert erzählt, welche sich von ihrer Kindheit über das Erwachsen werden bis zum Lebensende erstreckt. Die beiden Hauptfiguren lernt man dabei besser kennen, was ich besonders in Bezug auf Herbert wichtig fand, denn so ist es leichter seinen Lebensweg und die Entscheidungen welche er trifft zu verstehen. Sowohl Olga als auch Herbert sind in ihren Gedanken und ihrem Handeln sehr authentisch und ich habe zu keiner Sekunde gezweifelt, dass die Geschichte sich nicht genau so zugetragen haben könnte.

Im zweiten Teil erzählt Ferdinand, ein wesentlich jüngerer Freund Olgas die Geschichte weiter. Da er alles aus seiner Perspektive erzählt, erhält man beim Lesen noch einmal einen ganz neuen Blickwinkel auf die Geschehnisse. Der dritte Teil besteht aus den Briefen, welche Olga postlagernd an den vermissten Herbert schreibt. Hier wird die Geschichte weitererzählt, beim Lesen erfährt man direkt Olgas Sicht auf die Geschehnisse. Lücken schließen sich und manches wird in neues Licht gerückt.

In "Olga" erzählt Bernhard Schlink nicht nur die Geschichte von Olga und Herbert, sondern er gibt auch Einblicke in die deutsche Geschichte. So spielt der durch die Deutschen begangene Völkermord an den Herero in Namibia eine Rolle, genauso wie die beiden Weltkriege und die Fahrten der Entdecker ins ewige Eis. Neben den historischen Elementen habe ich den Roman als sehr tiefgründig empfunden. Es sind immer wieder die Fragen nach dem, was Beziehungen und das Leben ausmacht, nach bleiben und gehen, nach Nähe und nach Weite, mit denen Olga sich beschäftigt und durch Herberts Verschwinden auch beschäftigen muss. Olga ist eine sehr starke Persönlichkeit und ich mochte ihre Art mit diesen Themen umzugehen sehr.

"Olga" ist briliant erzählt, berührt, macht nachdenklich und lässt sich spannend lesen. Ich habe den Roman sehr gerne gelesen und war traurig, als ich die letzte Seite erreicht hatte.

Olga | Bernhard Schlink | Diogenes | 2018 | Hardcover | 320 Seiten | ISBN: 978-3257070156 | Preis: 24€